Weser-Kurier, Stadtteil-Kurier Südost – 01.04.2019
Heinz Becker geht nach 30 Jahren als Leiter der Tagesförderstätte des ASB in den Ruhestand
Osterholz. So richtig Ruhestand kommt für Heinz Becker, Leiter der Tagesförderstätte des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) in der Elisabeth-Selbert-Straße, offenbar nicht infrage: Lehrtätigkeit an der Hochschule, Netzwerker für den ASB, vielleicht ein Fachbuch schreiben und nicht zuletzt ein großer Garten – so beschreibt er seine Zukunft als Ruheständler nach 30 Jahren als Leiter der Tagesförderstätte. In diesen 30 Jahren haben seine Kollegen und er darauf hin gearbeitet, Menschen mit Behinderungen in die Arbeitswelt zu integrieren.
Heinz Becker begann seine Arbeit beim ASB in einer Zeit des großen Umbruchs im Umgang mit Menschen mit Behinderungen. 1988 wurde die Klinik Kloster Blankenburg bei Oldenburg, eine Bremer Außenstelle der Psychiatrie am Klinikum Bremen-Ost, geschlossen. Das war eine Einrichtung, in der Menschen mit geistigen Behinderungen und psychischen Erkrankungen untergebracht waren und dort mehr verwahrt als behandelt oder betreut wurden. Nach der Auflösung mussten die Patienten in bestehende und neuen Einrichtungen im Stadtgebiet untergebracht werden. Darunter eben auch die Tagesförderstätte an der Elisabeth-Selbert-Straße, an deren Vorbereitung Heinz Becker seit 1988 mitwirkte.
Für ihn ist die damalige sozialpolitische Entscheidung zur Reform der Psychiatrie eines der großen einschneidenden Ereignisse der vergangenen Jahrzehnte. Ein anderes, das das berufliche Wirken in den vergangenen Jahren bestimmen sollte, war eine Tagung der Lebenshilfe in Marburg. „Da gab es eine Diskussion, wie wir Teilhabe am Arbeitsmarkt gestalten wollen. Da kam zum ersten Mal die Idee auf: Wir gehen einfach raus!“, erinnert sich Heinz Becker. „Raus“, damit meint Heinz Becker: raus aus der Tagesförderstätte und rein in die Betriebe. „Zum Beispiel im Blumenladen, im Fahrradladen, bei der Gesamtschule Ost“, zählt Heinz Becker Geschäfte und Einrichtungen auf, in denen Menschen mit Behinderungen außerhalb der Tagesförderstätte in realen Arbeitsprozessen eine Tätigkeit gefunden haben. Nicht so sehr die Suche nach willigen Betrieben, sondern nach geeigneten Tätigkeiten für die teils mehrfach oder schwer eingeschränkten Klienten der Tagesförderstätte gestalte sich dabei schwierig. „Was wir finden müssen ist die Nische, etwas, was wir machen können.“
Die Suche nach sinnstiftenden Tätigkeiten in der Arbeitswelt ist einer der Schwerpunkte der Tagesförderstätte, die völlig frei in der Gestaltung ihres Angebots ist. „Ein Punkt, der uns nach wie vor unterscheidet“, meint Heinz Becker. Der Schritt hinaus ließ aber auch dort zunächst auf sich warten. „Erst vor zehn Jahren sind wir auf die Idee gekommen, in die Arbeitswelt zu gehen.“ Ausgangspunkt war die genannte Tagung in Marburg.
Die Gestaltungsmöglichkeit sei es gewesen, die die Arbeit in der Tagesförderstätte ausgemacht habe. Aber es ist auch noch etwas Anderes, etwas Persönlicheres: „Die Anerkennung, die man bekommt, Besuch, Auszeichnungen, Einladungen – ich würde Lügen, wenn ich sage, dass das keinen Spaß macht“, sagt Heinz Becker. Tatsächlich ist das Konzept der Tagesförderstätte inzwischen über Bremen hinaus bekannt und auch im Stadtteil Osterholz ist die Tagesförderstätte bestens vernetzt. „Aber um so etwas zu gestalten, braucht man die Mitarbeiter und einen Arbeitgeber, der das zulässt, und das habe ich hier gefunden“, sagt Heinz Becker.
Bei allem Engagement: Noch steckt die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in den Kinderschuhen. Aber die Arbeitswelt wird sich ändern, vermutet Heinz Becker. Mit Blick auf die Schulen und der in den vergangenen Jahren forcierten Inklusion von behinderten Menschen in den Schulen meint er: „Der Arbeitsmarkt hängt da der Entwicklung hinterher, da wird sich einiges ändern müssen. Die kommenden Schulabgänger bringen ganz andere Voraussetzungen mit.“ Früher seien ganze Sonderschulklassen in Werkstätten gewechselt. „Jetzt haben diese Kinder die Kita und die Schule mitgemacht und werden sicherlich nicht zufrieden sein, einfach in eine Werkstatt gesteckt zu werden.“
„Was wir finden müssen ist die Nische, etwas, was wir machen können.“
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